Zu den vielen herausragenden Persönlichkeiten, die an der Universität Hamburg studiert oder gelehrt haben, zählt auch der Tropenmediziner und Begründer des Instituts für Tropenmedizin in Hamburg, Bernhard Nocht. Wer dieser Mann war und warum man ihn kennen sollte, erfahrt Ihr in der folgenden Kurzbiografie. Ein Blog-Beitrag von May Müller.
Bernhard Nocht wurde am 4. November 1857 in Niederschlesien geboren und studierte bis 1881 Medizin in Berlin am Friedrich-Wilhelm-Institut. Das Studium schloss er mit der Promotion ab und leistete im Anschluss von 1883 bis 1892 seinen Dienst als Sanitätsoffizier in der deutschen kaiserlichen Marine.
1887 kam Nocht über seine parallel zur Sanitätsarzt-Tätigkeit laufende Arbeit im Kaiserlichen Gesundheitsamt mit Robert Koch in Kontakt. Bei diesem, zusammen mit Georg Gaffky, lernte er viel über das weite Feld der Bakteriologie.
Professor für Tropenmedizin an der Universität Hamburg
1892 brach in Hamburg eine große Cholera-Epidemie aus, und Nocht wurde zusammen mit seinem Kollegen Gaffky in die Hafenstadt geschickt, um die dortigen Behörden beim Umgang mit der gefährlichen Tropenkrankheit zu unterstützen und zu beraten. Damals war die Lage in Hamburg stark angespannt. Nach zunächst nur wenigen Toten, deren Schicksal aus wirtschaftlichen Gründen von der Politik verheimlicht wurde, stieg die Zahl der Erkrankungen im August 1992 massiv an. Die Öffentlichkeit in Hamburg reagierte immer nervöser und die ersten Einwohner verließen die Hansestadt. Nur wenige Wochen später hatte die Krankheit circa 8000 Tote gefordert.
Da Nocht sich als Tropenmediziner und Hygieniker für diese Zeit sehr gut mit der Krankheit auskannte und über die Ursprünge und die Verbreitung Bescheid wusste, empfahl er die Einrichtung eines ärztlichen Überwachungsdienstes direkt am Hafen. So sollte die unbemerkte Weiterverschleppung der Erkrankung in andere Länder über den Schiffsverkehr und eine weitere unkontrollierte Ausbreitung in der Stadt verhindert werden. Ein Jahr später folgte die Stadt Hamburg dem Rat Nochts, er wurde aus der Marine entlassen und bekam am 1. April 1893 den Titel „Hafenarzt der Hansestadt Hamburg“. Dieses Amt war vollkommen neu und sollte dafür sorgen, dass solche Epidemien in Zukunft vermieden werden konnten. Nocht hatte es bis 1906 inne. Tatsächlich blieb diese Choleraepidemie die letzte solchen Ausmaßes in ganz Deutschland.
Begründer des Bernhard Nocht Instituts
In den Jahren seiner Amtszeit beobachtete er neben der schwerwiegenden Cholera viele weitere tropische Erkrankungen, von denen einige noch völlig unbekannt waren. Um auch diese Krankheiten zukünftig besser verstehen, behandeln bzw. heilen zu können, richtete Nocht eine kleine Forschungsstation ein, bestehend aus drei Räumen im alten Hafenkrankenhaus Hamburg. Nach langen Verhandlungen wurde diese kleine Forschungsstation 1900 schließlich zum Hamburger Institut für Schiffs-und Tropenforschung umbenannt und in ihrer Wichtigkeit bestärkt. Bis 1930 wurde das neu gegründete Institut von Bernhard Nocht als erstem Direktor geleitet. Gleichzeitig bekleidete er das Amt des Chefarztes.
1919, im Gründungsjahr der Universität Hamburg, wurde Nocht zum ersten Professor für Tropenhygiene an der medizinischen Fakultät ernannt. Er ist also einer der ersten Lehrenden an der Universität Hamburg gewesen und hat die medizinische Fakultät in ihren sehr frühen Anfängen begleitet. In seiner Zeit als Professor arbeitete er an einem Lehrbuch über Infektionskrankheiten mit und veröffentlichte diverse Bücher über die Malaria und weitere Tropenkrankheiten.
In den 1920er-Jahren bewirkten er und seine Forschung nachhaltig eine Steigerung des internationalen Ansehens der deutschen Wissenschaft und die Wiederanknüpfung von Auslandsbeziehungen im Bereich der Medizin, die zuvor durch den Ersten Weltkrieg strapaziert worden waren.
Von 1927 bis 1934 war er außerdem Vizepräsident der Hygiene-Kommission des Völkerbundes und 1932 wurde er zum Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina gewählt. Somit zählt er zu einem der wohl bekanntesten und einflussreichsten Professoren der Universität Hamburg, der maßgeblich zur internationalen Wichtigkeit des Lehr- und Forschungsortes Hamburg beitrug.
Nocht im Nationalsozialismus
1933 unterzeichnete Nocht das „Bekenntnis der deutschen Professoren zu Adolf Hitler“ in der Alberthalle in Leipzig, womit er die Abschaffung der Selbstbestimmung in der Universität und grundsätzlich der Lehrfreiheit in der Wissenschaft öffentlich tolerierte. Eine durchaus kritisch zu betrachtende Tat, da durch sie nicht nur die Beschränkung der Entfaltungsmöglichkeiten innerhalb der Universität und seiner Forschung akzeptiert werden sollte, sondern so auch die Ausgrenzung jüdischer Dozenten und Professoren stillschweigend hingenommen wurde.
Am 7. November 1942, an Bernhard Nochts 85. Geburtstag, wurde das von ihm gegründete Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten in „Bernhard Nocht Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten“ umbenannt.
1945, am Ende des Zweiten Weltkrieges, nahmen er und seine Frau sich das Leben. Angeblich, da sie sich „dem Wiederaufbau nicht gewachsen fühlten“ (Zitat: Wikipedia). Heute ist sein Grab auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg zu finden.
Bernhard Nocht ist also in vielerlei Hinsicht wichtig für die Stadt Hamburg und die Universität der Hansestadt gewesen. Als renommierter, produktiver Professor der medizinischen Fakultät, als Pionier in der Bekämpfung von Schiffs- und Tropenkrankheiten und Begründer des nach ihm benannten Institutes sowie als kritisch zu betrachtende Persönlichkeit aufgrund seines tolerierenden Verhaltens zur Zeit des Nationalsozialismus.
Quellen
https://www.deutsche-biographie.de/gnd117586226.html#ndbcontent
https://de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_Nocht
https://de.wikipedia.org/wiki/Bekenntnis_der_deutschen_Professoren_zu_Adolf_Hitler• https://de.wikipedia.org/wiki/Choleraepidemie_von_1892
https://portal.dnb.de/opac.htm?method=simpleSearch&query=117586226