Wir schreiben den 3. Mai 1977. Im Dunkeln tappen Studierende durch das Hauptgebäude der Uni Hamburg. Blick nach links, Blick nach rechts. Sie brauchten das Geld. Da mussten sie doch seine Büste stehlen, oder? Ein Lichtkegel streift über den Bronzeguss, Werner von Melle in seiner Amtstracht. So könnte sich der Diebstahl abgespielt haben. Doch wer ist Werner von Melle und was hat er mit der Uni Hamburg zu tun? Laura Emde stellt Werner von Melle vor.
Jedes Jahr zu Beginn des neuen Semesters wandern Massen an Studenten über das Uni-Gelände. Schauen sich um, versuchen sich zu orientieren und überfliegen nochmal den Lageplan. Der Von-Melle-Park bildet das Herzstück des Geländes, jeder kennt den Namen, benutzt ihn tagtäglich, wenn auch nur in der Abkürzung ,,VMP“. Ob sie wohl alle wissen, dass die Benennung des Platzes als eine Form von Dankbarkeit zu verstehen ist? Dankbarkeit dem Mann gegenüber, der maßgeblich den Weg zur Gründung der Universität geebnet hat.
Kaufmannssohn in wissenschaftlichem Verein
Werner von Melle wurde am 18. Oktober 1853 in Hamburg geboren, als Sohn einer Kaufmannsfamilie. Seine Kindheit verbrachte er in seiner Geburtsstadt. Schon ein Jahr nach seiner Einschulung wurde er in eine private höhere Knabenschule gegeben, die damals von Dr. Heinrich Schleiden geleitet wurde und sehr angesehen war. In den späten 1860er-Jahren war die Schulpolitik im Umbruch und Werner von Melle wechselte an das Johannes, zu jener Zeit und auch noch heute eine humanistische Stätte. Die Erwähnung von Melles Schullaufbahn ist auch aus seiner Sicht wichtig, denn er maß der Schulzeit im Nachhinein einen prägenden Einfluss auf seinen weiteren Lebensweg bei. Die Schule gab ihm die Möglichkeit sich auszuprobieren, an kulturellen Kreisen teilzunehmen, seinen Horizont zu erweitern und nebenbei ein politisches Interesse für das Bildungssystem zu entwickeln. So war von Welle zum Beispiel Mitglied eines wissenschaftlichen Vereins, der den Namen ,,Didaskalia“ trug. Wissenschaftliche Vereine waren zu jener Zeit nicht unüblich. Man traf sich in kleinen Kreisen und beschäftigte sich mit der Erziehung zum selbstständigen Denken.
Anstatt den Weg eines Kaufmanns einzuschlagen, begab er sich nach Heidelberg um ein Advokat zu werden. Innerhalb von vier Jahren studierte er auch noch in Straßburg, Leipzig und Göttingen. Wobei jede Stadt ihn auf ihre Art und Weise sowohl kulturell als auch bildungstechnisch anders beeinflusste. Werner von Melle verfügte über ein breites Interesse und besuchte zusätzlich Veranstaltungen in der Literatur- und Kunstgeschichte, der Philosophie und der Geschichtswissenschaften. Bei einer Rede vor Schulmännern bekräftigte er seine Ansicht von Bildung: ,,Könnten wir dahin gelangen, daß es hieße: ,mehr Können als Wissen!‘ und ,Mehr Persönlichkeit als Dutzendmensch!‘ so würde mich das freuen.“1
Von Melle legte den Grundstein der UHH
Zwar arbeitete Werner von Melle zehn Jahre als selbstständiger Advokat, legte danach jedoch seine Arbeit ab und nahm für sechs Jahre den Posten als Redakteur der ,,Hamburger Nachrichten“ an. Eng verbunden mit seiner Vaterstadt setzte er sich in den Kopf, der Stadt Hamburg eine ihr angemessene Städte des Geistes zu schaffen. Irgendwas fehlte ihm an seiner Stadt, irgendetwas ließ sie geistig im Schatten Leipzigs, Göttingens und der anderen von ihm besuchten Städte. Seine Lösung: eine Universität! Zwar war von Melle mit seiner Vision einer Uni nicht der Erste, aber derjenige der es schaffte, diese zu realisieren. Mit seiner Wahl zum Senatssyndicus im Jahre 1891 und seiner Ernennung zum Mitglied der Oberschulbehörde war sein Weg in die Politik geebnet. Für die Jahre 1915 und 1918 wurde Werner von Melle sogar zum ersten Bürgermeister gewählt. Nach mehreren Anlaufversuchen gelang es ihm, seine klare Vorstellung von einer Geisteskultur in Hamburg in eine annehmbare Form zu überführen und der Grundstein für die Uni Hamburg war gelegt.
Fast 100 Jahre später betreten Studierende tagtäglich in das Hauptgebäude der Uni Hamburg. Im Eingangsbereich blickt ihnen Werner von Melles Büste entgegen. Nach der Entwendung von linken Studierenden wurde ein Nachguss erstellt und die Büste wieder als Erinnerung aufgestellt. Für einen Mann, seine Vision und sein zähes Durchhaltevermögen!
Quelle
Quelle: Stadt-Mann-Universität: Hamburg, Werner von Melle und ein Jahrhundert-Lebenswerk/ Teil 1/ von Myriam Isabell Richter/ Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung (siehe Zitat ,,1“)