Das Rechtshaus zwischen Rothenbaumchaussee und Schlüterstraße, Heimat der Fakultät für Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg. Eine ungemütliche Novembernacht im Jahr 1992. Schauplatz eines wohl bislang einmaligen Vorfalls linksextremistischen Terrors, der sich gegen eine Hochschule richtete. Ein Beitrag von Jonas Böhme.
Am Freitag, den 21. November 1992, machte der damalige Hausmeister gegen 22:10 Uhr wie jeden Abend seine letzte Runde und schloss danach alle Türen des Gebäudes ab. Was dann im Einzelnen passierte, konnte bis heute nicht vollständig aufgeklärt werden.[i]
Der Anschlag
Gegen 01:50 Uhr in der Nacht zum Sonnabend detonierten im zweiten und vierten Stock des Rechtshauses zwei Brandsätze, die über selbstgebastelte Zeitzünder aus Eieruhren, Batterien und Blitzlichtbirnen ausgelöst wurden. In Folge der Explosion entzündete sich der Inhalt von zehn im Rechtshaus entleerten 20-Liter-Benzinkanistern. Im vierten Stock riss eine Druckwelle mehrere Zwischenwände ein – zehn Räume von Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeitern wurden zerstört, weitere zum Teil schwer beschädigt. Bereits vor der Explosion hatten die Täter Mobiliar im Rechtshaus zerschlagen. Drei weitere Zeitzünder wurden durch einen Staatsschützer entschärft, diese wären andernfalls wenige Minuten später explodiert und hätten mutmaßlich auch die Bibliothek in Mitleidenschaft gezogen sowie die bereits angerückten Einsatzkräfte der Feuerwehr gefährdet. Insgesamt entstand ein Sachschaden von etwa 1,8 Mio. DM.
Unklar blieb, wie es den Tätern gelingen konnte, mitsamt der zehn Benzinkanister in das Rechtshaus zu gelangen. Zwar war es zuvor schon mehrfach vorgekommen, dass sich Obdachlose abends unbemerkt im Rechtshaus einschließen ließen. Doch eine Antwort auf die Frage, wie die Benzinkanister an den Pförtnern vorbei unbemerkt in das Gebäude gelangten, konnte dies freilich nicht liefern.
Die Täter
Die Täter hinterließen mehrere Ausfertigungen eines neun Seiten umfassenden Bekennerschreibens, indem sie unter anderem aus einem Schreiben der RAF (Rote Armee Fraktion) „zur Strategie des antiimperialistischen Kampfes“ von 1972 zitierten sowie auf die Vergangenheit der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Hamburg im Dritten Reich und die „justizielle Verfolgung von KommunistInnen in der BRD bis 1968 und das Asyl-‚Recht‘ in der BRD“ eingingen. Das Rechtshaus sei als Anschlagsziel ausgewählt worden, da in ihm „juristisches Fachpersonal des Unrechts-Staates BRD ausgebildet“ werde.
Etwa ein Jahr später bekannte sich eine militante Gruppe aus dem Umfeld der RAF (wohl glaubhaft) zu der Tat, die Gruppe „Antiimperialistische Widerstandszelle Nadia Shehadah“, die an die bisherige RAF vor April 1992 anknüpfen wollte, als diese ihre Deeskalations-Erklärung abgegeben hatte. Die Namensgeberin der Gruppe Nadia Shehadah gehörte ihrerseits zu den im Oktober 1977 bei der Erstürmung der entführten Lufthansa-Maschine „Landshut“ in Mogadishu getöteten Terroristen.
Die Reaktionen
Der damalige Universitätspräsident Prof. Dr. Lüthje sprach von einem „großen Schock“ für die gesamte Universität. Im Nachgang des Anschlags wurde dem Senat aus den Reihen der Professoren angesichts der im Vergleich zu Gerichten mangelnden Bewachung der Universitätsgebäude „Leichtfertigkeit“ vorgeworfen. Nachhaltige Maßnahmen zog dies jedoch nicht nach sich.
Positiv festzuhalten bleibt zumindest, dass durch den Brandanschlag niemand körperlichen Schaden genommen hat und das Ereignis für die Universität sowie insbesondere für die Fakultät für Rechtswissenschaft keine langfristigen negativen Folgen hervorgerufen hat.
Quellen
[i]Der Beitrag beruht inhaltlich auf drei Artikeln aus dem Hamburger Abendblatt: „Brandanschlag auf das Uni-Rechtshaus“ (23.11.1992), „Wie kamen die Täter ins Haus?“ (24.11.1992) und „Uni-Anschlag: Täter aus RAF-Umfeld?“ (15.12.1993).