Zur Gründung der Universität Hamburg im Jahr 1919 war das akademische Fechten eine weit verbreitete Sportart unter Studierenden. Heutzutage werden Studierende eher schief angesehen, wenn sie sich gegenseitig mit scharfen Waffen auf den Kopf schlagen. Woher kommt dieser blutige Sport und was fasziniert ihre VerFECHTER an ihm? Dieser Frage geht Helena Gleißner nach.
Gestern: akademisches Hiebfechten
Das so genannte „akademische Hiebfechten“ wird in schlagenden Studentenverbindungen gelehrt, welche auch heute noch an so gut wie jedem Hochschulstandort ansässig sind. Die ersten Mensuren (Fechtkämpfe) sind auf das 16. Jahrhundert zu datieren. Das Tragen von Waffen war dem Studenten, neben dem Militär, erlaubt, um sich auf den Wegen zwischen den Universitäten verteidigen zu können. Sie wurden darüber hinaus verwendet, um Auseinandersetzungen in Ehrangelegenheiten beizulegen – oft mit tödlichem Ausgang.
Verbote hinderten die Studenten jener Zeit nicht daran, die Mensur weiterhin auszutragen. In Folge dessen wurde das Fechten mit festem Regelwerk und erforderlichen Schutzmaßnahmen eingeführt, die das vorzeitige Ableben der teuer ausgebildeten Herrschaften verhindern sollte.
Mit Aufnahme des Lehrbetriebs an der Universität Hamburg im Jahre 1919 zogen Studentenverbindungen nach Hamburg oder wurden neu gegründet. Das akademische Fechten war jedoch bis 1953 in Hamburg verboten, so dass die erste Partie Hamburger Verbindungen in Wandsbek, welches zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu Hamburg zählte, am 15. August 1919 stattfand. Im Göttinger Mensurenprozess 1951 wurde festgestellt, dass die Mensur kein Duell mit tödlichen Waffen sei und die Körperverletzung in Einvernehmlichkeit stattfinde. Die Mensur sei daher nicht strafbar und dem Boxsport rechtlich gleichgestellt.
Heute: pflichtschlagende Studentenverbindungen
Aktuell gibt es neun pflichtschlagende Studentenverbindungen in Hamburg. Ich habe einen „Bundesbruder“ der Alten Turnerschaft Slesvigia-Niedersachsen zum Thema Mensur befragen können, welcher vor allem folgende Aspekte schilderte:
Die Mensur werde als eine Mutprobe gesehen, mit welcher der „Paukant“ seine Zugehörigkeit zur Verbindung bekräftige. Dieses Erlebnis verbinde die Mitglieder miteinander und stelle eine gemeinschaftliche Basis dar. Wer nicht bereit sei, trotz der Gefahr für seinen Bund einzustehen, werde als charakterlich ungeeignet ausgemustert.
Für den Fechtenden persönlich bestehe die Mensur aus langer Vorbereitung, großer Anspannung, 15 Minuten Adrenalinrausch und dem Glücksgefühl danach. Die blutigen Treffer und das anschließende Zusammennähen seien unter diesen Umständen nicht sonderlich schmerzhaft.
Mensuren können aus verschiedenen Gründen zu Stande kommen. Es werden so genannte „Bestimmpartien“ ausgetragen wo Mitglieder verschiedener Verbindungen mit ähnlicher Statur und Vermögen sich gegenüberstehen. Da es eine geforderte Anzahl an zu fechtenden Partien in pflichtschlagenden Verbindungen gibt, ist dies eine Möglichkeit, diesem Ziel näherzukommen. Ehrenduelle, wie es sie früher gab, sind in der Ernsthaftigkeit nicht mehr vorhanden. Stattdessen können auf halb ernst gemeinte Beleidigungen Mensuren folgen, die entweder persönlich zwischen zwei Kontrahenten oder zwischen gleich mehreren Mitgliedern zweier Verbindungen ausgetragen werden. Im Anschluss an eine Mensur ist die Ursache vergessen und man feiert mit der Gegenseite die gefochtene Partie bei ein oder zwei Bier.
Morgen: Mangel an Mitgliedern
Die schlagenden Studentenverbindungen in Hamburg leiden allgemein unter nachlassenden Mitgliederzahlen, so dass das akademische Fechten tendenziell aussterben wird. Dennoch wird es immer einige wenige Studenten geben, die Interesse für den Sport zeigen.
Quellen
https://de.wikipedia.org/wiki/Mensur_(Studentenverbindung) [Stand: 14.10.2018]
persönliche (und anonymisierte) Gespräche