Lost in Eppendorf


Wir Hamburger Medizinstudierende sind ein einsames Völkchen. Abgesondert vom Rest der Studierenden fristen wir unser Dasein am Universitätsklinikum Eppendorf. Dabei würden wir am liebsten einfach dazugehören – uns beim Mittagessen auch mal mit Kommilitonen unterhalten, die nicht gerade über Anatomie brüten oder an Biochemie verzweifeln. Eine Glosse von Francesca Reimer.

Heute

Als Student/-in an der Universität Hamburg  könnte man glatt auf den Gedanken kommen, wir Medizinstudierende existierten gar nicht. Kein Wunder, einen von uns zu Gesicht zu bekommen, hat fast schon Seltenheitswert – es sei denn, man kommt auf unseren Campus, das UKE.
Isoliert vom Rest der Studierendenschaft haben wir dort unsere eigenen Hörsäle, unsere eigenen Seminarräume, unsere eigene Mensa inkl. Pizzeria – die wir übrigens großherzig mit den UKE-Mitarbeitenden teilen! – und unsere eigene Bibliothek. Versteht uns nicht falsch: Uns geht es dort nicht schlecht. Für den Snack in der Lernpause gibt es auf dem Gelände einen Edeka, Budni und verschiedene Cafés um die Ecke; wir haben unseren eigenen Copyshop, Blumenhändler und eine Sparkassen-Filiale – theoretisch kann man sich sogar die Haare schneiden lassen. Das UKE bezeichnet sich nicht umsonst als „Stadt in der Stadt“.
Aber wäre es denn zu viel verlangt,  innerhalb von zwölf Semestern Studium auch mal neben jemandem zu sitzen, der nicht über die jüngste Physio-Vorlesung, die nächste Derma-Klausur oder eventuelle Doktorarbeitsanfragen reden will? Jemandem, dem man noch die einfache Frage „Und, was studierst du?“ stellen kann? Vielleicht neben einem Philosophen, der einem dann von der letzten Vorlesung über Platons Ideenlehre erzählt? Oder einem Physiker, der einem mit einfachen Worten endlich einmal die Relativitätstheorie erklärt.

Damals

Zugegebenermaßen, in gewisser Weise macht die Organisation des UKE als Studien-, manche behaupten Lebenszentrum, ja Sinn. Allein schon historisch: Die Möglichkeit zur Gründung der Medizinischen Fakultät war im Grunde unter anderem durch das UKE, damals noch „Allgemeines Krankenhaus Eppendorf“ AKE, gegeben, das im Rahmen der Cholera-Epidemie Ende des 19. Jahrhunderts Bekanntheit erlangt hatte. Fraglich, ob die medizinische Fakultät damals ohne das Krankenhaus überhaupt zu den vier Gründungsfakultäten gehört hätte! Auch heutzutage fühlen wir uns dadurch, dass wir am UKE lernen, essen und schlafen (der „power nap“ auf den Untersuchungsliegen ist inzwischen Tradition) mit diesem Krankenhaus besonders verbunden. Und lasst uns realistisch bleiben: Abgesehen davon, dass sich die Patienten/-innen am UKE befinden, wären zum Beispiel unsere Kommilitonen/-innen wahrscheinlich wenig begeistert, wenn wir den Präparationskurs mitten auf dem Hauptcampus organisieren würden – der Geruch ist nun mal gewöhnungsbedürftig.

Bis vor ein paar Jahren kamen wir zumindest für Veranstaltungen in Chemie, Physik und Biologie hinaus aus unseren „Stadtmauern“ zu den jeweiligen Instituten – da waren auch Nicht-Mediziner und -Medizinerinnen. Das war schön.  Allerdings, das war einmal.

Und in Zukunft?

Vielleicht ist die Lösung, dass ihr einfach ein paar Veranstaltungen in unseren Hörsälen und Seminarräumen belegt, zum Beispiel die Soziologie-Vorlesung „Berufliche Pendelmobilität, Familie, Partnerschaft – (Un-)vereinbar?“ im Gynäkologie-Hörsaal – das ist doch reizvoll… Wir stellen sie euch jedenfalls gerne zur Verfügung und teilen selbstverständlich auch unsere Mensa mit euch (wir würden beim Essen auch nicht über den „Präp-Kurs“ sprechen).

Und wenn nicht: Wir werden uns wohl dran gewöhnen – Zeit heilt alle Wunden.

Liebe Uni-Hamburg, Gratulation zum 100-Jährigen! Auch wenn wir in den nächsten 100 Jahren immer noch nur am UKE sein sollten, denken werden wir doch immer (nur) an dich! Francesca Reimer

Anmerkung der Autorin

Dieser Blogeintrag ist als Glosse einer einzelnen Person zu verstehen und somit kein Versuch, stellvertretend für alle Medizinstudierenden zu sprechen.

 


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