1969 – Die SPD stellt mit Willy Brandt zum ersten Mal einen Bundeskanzler, die Universität Hamburg wird fünfzig Jahre alt und Jürgen Basedow dort Student. Ein halbes Jahrhundert später kämpft die SPD mit einem historischen Tief, die Universität ist mittlerweile hundert Jahre alt und Jürgen Basedow schaut als Emeritus zurück auf ein halbes Jahrhundert akademischer Erfahrung. Das Interview führte Jannis Gries.
Prof Dr. Dr. h.c. Jürgen Basedow wurde 1949 in Hamburg geboren und hat anschließend die Universität Hamburg sowohl als Student (zwischen 1969 und 1974) wie auch als Professor (zwischen 1997 und 2017) kennengelernt. Außerhalb von Hamburg ist er als renommierter Rechtswissenschaftler anerkannt, der seine Forschungsschwerpunkte im Bereich des internationalen und europäischen Privat- und Wirtschaftsrechts hat. Er lehrte insgesamt an über einem Dutzend verschiedener Universitäten.

Können Sie sich noch an Ihre ersten Studientage erinnern? Was ist Ihnen besonders im Gedächtnis hängengeblieben?
„Als ich im Sommersemester 1969 mit dem Studium begonnen habe, war dies noch ein sehr großer Schritt. Plötzlich kam ich in ein Umfeld, in dem man keinerlei Struktur vorfand. Die Professoren aus meinem ersten Semester – so hatte ich zumindest das Gefühl – steckten teilweise so tief in ihrer jeweiligen Wissenschaft, dass sie nicht begriffen, wie meilenweit entfernt wir Abiturienten davon waren. Aus dem studentischen Leben im Gedächtnis geblieben sind mir vor allem zwei Dinge: Ohne Internet und soziale Medien musste sich das Kommunikationsbedürfnis der Studierenden auf anderem Wege entladen – an den Wänden und Türen der Toiletten. Heutzutage sieht man dort vielleicht mal einen kleinen Schriftzug oder Aufkleber, aber damals waren WCs mit Mitteilungen, Meinungen und Obszönitäten regelrecht vollgepflastert. Außerdem erinnere ich mich noch an die sehr ideologisch geführten Grundsatzdebatten im Studentenparlament, dem ich zeitweilig angehörte. Dabei wurde bis zum frühen Morgen über angeblich wichtige studentische Belange diskutiert, insbesondere den Vietnam-Krieg und die amerikanische Beteiligung. In die 1970er-Jahre passten auch einige Protestaktionen, in denen manche Studierende beispielsweise Vorlesungen unterbrachen; viele Professoren reagierten hilflos.“
Was hat sich seit Ihrem ersten Besuch an der Universität verändert?
„Von außen betrachtet hat die Universität schon vor fünfzig Jahren enorm von ihrer zentralen Lage profitiert, es gab auch damals schon Cafés und Buchhandlungen. Als ich 1969 das Studium aufnahm, hatte die Stadt Hamburg gerade den Campus umfassend neugebaut und gestaltet. Bis heute sind diese Bauten (Audimax, Mensa, Philosophenturm, Pädagogisches Institut, Rechtshaus) erhalten geblieben und prägen das Erscheinungsbild. Neu hinzugekommen ist lediglich der ästhetisch eher unpassende WiWi-Bunker und die schöne rechtswissenschaftliche Bibliothek. Außerdem ist die Schlüterstraße mittlerweile keine große Verkehrsstraße mehr, sodass der Campus wie eine Einheit wirkt.
Betrachtet man die Menschen auf dem Campus, so lässt sich vermehrt feststellen, dass das Studium mittlerweile mehr als Berufsvorbereitung verstanden wird und weniger als umfassender Wissens- und Ideenaustausch. Auch zu meiner Zeit gab es schon Kommilitonen, die die praktisch relevanten Informationen bevorzugten – mittlerweile bildet diese Gruppe jedoch wohl die klare Mehrheit. Früher wurden die Abiturienten gewissermaßen ins Studium hineingeworfen, während heutzutage die Uni klare Strukturen und Lehrpläne bereitstellt. Viele Studierende orientieren sich nur noch an dem Pflichtstoff ihres Stundenplanes und vergessen dabei ein Stück weit, die Vielfalt der Universität auszunutzen.“
Verglichen mit Ihren diversen Auslandsaufenthalten, was macht die Uni Hamburg zu einer besonderen Universität?
„Für die Stadt Hamburg besonders ist eine gewisse Form des Provinzialismus, sozusagen die Vorstellung, hier laufe alles besser als auf dem restlichen Planeten. Die Universität hingegen erfüllt gerade den Hamburgischen Anspruch, besonders weltoffen zu sein. Kaum eine andere deutsche Universität weist einen solchen Reichtum an verschiedenen Fächern auf, von Äthiopistik über Islamwissenschaften hin zu Japanologie.“
Welchen Wunsch haben Sie für die Universität Hamburg?
„Der Universität würde ich wünschen, dass die Stadt Hamburg und die Medien etwas mehr Aufgeschlossenheit und Interesse an Wissenschaft und Studium haben. Vielfach wird gar nicht zur Kenntnis genommen, was sich an Geschehnissen oder sogar Grundlagenerkenntnissen im akademischen Bereich ereignet.“
Was würden Sie aktuell Studierenden mit auf den Weg geben?
„Guckt nach links und rechts, achtet nicht nur auf den Stundenplan, den könnt ihr auch mal vergessen. Probiert, die Vielfalt der Angebote zu nutzen, denn das ist nicht nur wichtig für die eigene Persönlichkeitsbildung, ihr werdet noch euer ganzes Leben etwas davon haben.“
Herr Basedow, vielen Dank für das Gespräch
