Während sich in den vergangenen 100 Jahren an der Universität Hamburg vieles verändert hat, ist eines (fast) gleich geblieben: das Jurastudium. Als eine der ältesten Wissenschaften reicht die Entwicklung der Rechtswissenschaft bis in die frühe Antike. Ein Beitrag von Svenja Breckwoldt-Jung.
Gestern
Die juristische Ausbildung ist gegen Ende des 14. Jahrhunderts entstanden. Im Jahr 1869 – fünfzig Jahre vor der Gründung der Universität Hamburg – wurde das Jurastudium in Preußen reformiert. Damals, vor 150 Jahren, wurden das Erste und Zweite Staatsexamen eingeführt. Diese Abschlüsse gibt es bis heute, obwohl das Erste Staatsexamen aufgrund der Schaffung des universitären Schwerpunktes nunmehr „Erste Juristische Prüfung“ heißt. Eine Novelle gab es am 10. September 1971, als die so genannte „Experimentierklausel“ § 5b DRiG in Kraft trat. Danach war es den Bundesländern möglich, eine einstufige Juristenausbildung einzuführen. Auch Hamburg wagte das Experiment und verwob die Praxis eng mit den theoretischen Vorlesungen, an deren Ende ein Abschluss stand. Einer der bekanntesten Absolventen ist Hamburgs ehemaliger Bürgermeister Olaf Scholz. Nach 13 Jahren erklärte man das Experiment für gescheitert und kehrte zu den Staatsexamina zurück.
Heute
Erst 2003 erfolgte die nächste Reform: die Einführung des universitären Schwerpunktbereichs, der zu dreißig Prozent in die Abschlussnote der Ersten Juristischen Prüfung einfließt. Dem Bologna-Prozess, durch den seit 1999 sämtliche Studiengänge in Europa im Bachelor-Master-System vereinheitlicht wurden oder vielmehr werden sollten, widersetzte sich das Jurastudium in Deutschland daher bis heute erfolgreich. Ob dies positiv oder negativ zu beurteilen ist, wage ich nicht zu entscheiden. Fest steht, dass das Studium der Rechtswissenschaft in den letzten 150 Jahren kaum eine Veränderung erfahren hat.
Dabei gibt es einige Kuriositäten, die Nicht-Juristinnen und Nicht-Juristen kaum zu erklären sind. Beginnend mit einer Notenskala, die von 1 bis 18 Punkte reicht, obwohl alle Ergebnisse ab 14 nahezu unerreichbar sind und man mit der Hälfte der Gesamtpunktzahl das von allen erträumte „Vollbefriedigend“ schafft; über das seit jeher bestehende private Repetitorium, das die angehenden Richterinnen und Richter sowie Anwältinnen und Anwälte auf das Examen vorbereitet; bis hin zu einem Studium, in dem Studierende bis zu ihrer mündlichen Prüfung im Schwerpunktbereich kein Wort sprechen müssen, da Präsentationen oder Diskussionen nicht Teil der Prüfungsordnung sind. Auch werden mit Klausuren keine Credits gesammelt, so dass die – bei Juristinnen und Juristen über die Maßen wichtige – Abschlussnote neben der Prüfung im Schwerpunkt zu siebzig Prozent an sechs Klausuren in zwei Wochen und einer mündlichen Prüfung hängt.
Morgen
Natürlich haben einige dieser Dinge auch ihre Vorteile: eine ausdifferenzierte Notenskala kann eine gerechte Bewertung ermöglichen. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber kennen die Begebenheiten, weshalb eine Absolventin oder ein Absolvent mit neun Punkten bereits Richterin oder Richter werden kann. Auch ist die deutsche Juristenausbildung für ihre Qualität, Tiefe und Breite bekannt. Dennoch gibt es Vieles, das reformbedürftig ist. Das Jurastudium der Zukunft beinhaltet für mich eine bessere Vorbereitung auf die Praxis. Die Uni Hamburg bietet bereits einige Schlüsselqualifikationen an. Das Angebot ist auch interessant, allerdings ist nur eine Schlüsselqualifikation während des gesamten Studiums verpflichtend und die Plätze sind hart umkämpft. Kern der späteren Arbeit einer Juristin oder eines Juristen ist Kommunikation. Einige Prüfungsleistungen sollten daher als Präsentationen, Diskussionen oder mündliche Prüfungen ausgestaltet sein, auf die Studierende durch entsprechende Workshops vorbereitet werden. Ein weiterer Kernpunkt der Universität der Zukunft beinhaltet eine qualitativ hochwertige universitäre Examensvorbereitung, weshalb der Hamburger Examenskurs HEX weiterentwickelt werden sollte. Außerdem müssten die während des Studiums gesammelten Noten einen Anteil an der Gesamtnote ausmachen; hierfür ist es auch an den Professorinnen und Professoren, Korrekturen selbst durchzuführen und so eine qualifizierte Kontrolle zu ermöglichen.
Dies sind wenige kleine Ideen, die für das Jurastudium schon in naher Zukunft Großes bewirken können – mit allen Stärken eines „Relikts“ aus der Vergangenheit und der Vision einer modernen Ausbildung.