Noch bevor es die Uni Hamburg gab, wurden die romanischen Sprachen und Kulturen in der Hansestadt erforscht. Über die Vergangenheit des Instituts für Romanistik, seine Gegenwart und nicht zuletzt die Zukunftsperspektiven schreibt Avi Liberman.
Die Entwicklung der Romanistik in Hamburg
Wenn die Universität Hamburg ihr 100. Jubiläum feiern wird, kann sich das Institut für Romanistik bereits über sein 108-jähriges Bestehen freuen. Gegründet wurde das Romanische Seminar mit der Ernennung Bernhard Schädels zum ordentlichen Professor für romanische Sprachen und Kultur als Teil des Hamburgischen Kolonialinstituts, dem Vorläufer der Universität. Lehrveranstaltung zu den romanischen Sprachen wurden jedoch bereits früher im Rahmen des Allgemeinen Vorlesungswesens angeboten. Im Unterschied zu anderen deutschen Universitäten und gemäß den Handelsinteressen der Hansestadt spielten das Interesse an einer gegenwartsbezogenen Auslandskunde sowie die gleichgewichtige Behandlung des Portugiesischen und Spanischen mitsamt der Erforschung der lateinamerikanischen Länder eine wichtige Rolle. Letzteres zeigt sich auch in der Quantität der in Hamburg eingereichten Dissertationen und Habilitationen, eine Tendenz, die weiterhin besteht. Nach und nach wurden neue Lehrstühle geschaffen, welche auf die Vergrößerung des Lehrangebots und auf eine Vielfalt der Forschungsmethodik hindeuten und gleichzeitig die autonome Entwicklung und Trennung der Sprach- und Literaturwissenschaft bedeuten.
Quo vadis, Romania?
Die graduelle Einführung der BA- und MA-Studiengänge wurde auch am Institut für Romanistik vollzogen. Im Bachelor studiert man nicht – wie es an anderen Universitäten in Deutschland üblich ist – das Fach „Romanistik“, sondern eine jeweilige romanische Philologie, die nach der Absolvierung des Einführungsmoduls mit dem Schwerpunkt Sprach- oder Literaturwissenschaft vertieft wird. Die Kombination zweier romanischer Sprachen im Bachelor ist jedoch eine beliebte Fächerkombination für die BA-Studierenden, die wiederum in den Master-Studiengängen „Romanische Literaturen“ und „Romanistische Linguistik“ fortgesetzt werden kann. Die angebotenen Sprachen sind Italienisch, Portugiesisch, Katalanisch, Spanisch und Französisch, wobei die beiden Letzteren auch auf Lehramt studiert werden können. Neben literatur- und sprachwissenschaftlichen Lehrveranstaltungen sind Sprachveranstaltungen ein integraler Teil des Studiums und werden von muttersprachlichen Dozentinnen und Dozenten gehalten. Zu der Studienordnung gehört auch die Durchführung eines Auslandssemesters, um die erworbenen Sprachkenntnisse anzuwenden, die jeweilige Kultur besser kennenzulernen und das Studium an einer anderen Universität zu erfahren. All dies schafft eine Mischung von Sprachen, die man in den Fluren des Instituts hört.
Europa und die neue Romania
Und wie sieht die Zukunft aus? In schweren Zeiten für die Geisteswissenschaften muss auch die Romanistik ihre Existenz rechtfertigen und erklären, worin ihre Relevanz besteht. Im Hinblick auf das politische Klima können aber einige Gründe genannt werden. „Die Romanistik war seit ihren Anfängen im frühen 19. Jahrhundert stets eine europäische Wissenschaft“, sagt der Geschäftsführende Direktor des Instituts für Romanistik an der Universität Hamburg Prof. Dr. Marc Föcking, der italienische und französische Literaturwissenschaft lehrt. „Gerade deswegen ist sie derart bedeutsam in für die EU nicht leichten Zeiten wie den unsrigen, um die europäische Idee besser verstehen zu können.“ Und dabei sei die Bedeutung der Vergangenheit nicht zu unterschätzen. Deren Erforschung verhelfe uns, neue Erkenntnisse über die Gegenwart zu gewinnen. „Ein Rahmen dafür ist beispielsweise das mit anderen geisteswissenschaftlichen Fächern gemeinsame DFG-Projekt zur Interkonfessionalität in der Frühen Neuzeit“, erklärt Föcking, „das sorgt unter anderem auch für den Nachwuchs in der Wissenschaft“. Die Perspektive im Studium beschränkt sich dennoch nicht nur auf Europa: Die Kontakte zwischen Europa und der neuen Romania seien ein wichtiger Gegenstand der Forschung, genauso wie die Auseinandersetzung mit den einzelnen Ländern. Das heißt, dass die koloniale Vergangenheit Europas, die Kultur der einzelnen Länder, die sprachlichen Eigenheiten und vieles mehr behandelt werde.
Quelle
Jürgen M. Meisel; Klaus Meyer-Minnemann, „Hundert Jahre Romanistik. Zur Geschichte der romanistischen Sprach- und Literaturwissenschaft an der Universität Hamburg“, in: Romanistische Zeitschrift für Literaturgeschichte39 (2015), 3/4, S. 385–424.