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Wir sind die Herr*innen unserer Zeit

16. Februar 2019 admin Keine Kommentare

Prof. Dr. Nora Markard, MA ist seit 2014 Juniorprofessorin für öffentliches Recht, Völkerrecht und Global Constitutionalism an der juristischen Fakultät der Universität Hamburg. Die Völker- und Verfassungsrechtlerin hat in Hamburg die Refugee Law Clinic ins Leben gerufen und ist Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Mit ihr sprach Eva Isabell Martin über ihre Vorstellungen von Lehre, die Entwicklungen in der Juristerei und Zukunftswünsche für die Uni.

Was bedeutet Ihnen die universitäre Lehre?

„Ich habe früher sehr gern Theater gespielt. Ich schätzte diesen Moment der Anspannung bevor es losgeht, die Präsenz auf der Bühne. Einen solchen Bühnenmoment habe ich auch, wenn ich Vorlesungen halte. Wenn ich vor die Studierenden trete, muss ich mich von allem frei machen, was mich gerade beschäftigt. Mein Ziel ist, sie als mein Publikum mitzunehmen, möglichst jeden und jede von ihnen.“

Nora Markard. Foto: Steffen Weigelt

Warum sind Sie dafür ausgerechnet an die Universität Hamburg gekommen?

„Die Uni hat eine tolle, vielseitig aufgestellte juristische Fakultät, mit Stärken gerade im Völkerrecht. Außerdem meldeten sich noch vor dem Ruf Studierende bei mir mit dem Wunsch, mit mir ein Projekt für Rechtsberatung von Flüchtlingen aufzubauen, die heutige Refugee Law Clinic.“

Was bedeutet Ihnen diese Art von Engagement?

„Ich würde jederzeit die Zweckfreiheit der Forschung verteidigen. Trotzdem hat die Universität immer auch einen gesellschaftlichen Auftrag. Als Wissenschaftler*innen haben wir die Möglichkeit und Aufgabe, Herr*innen unserer Zeit zu sein. Außerdem lernen wir, in der Praxis zu verstehen, wie das Recht tatsächlich wirkt und auch wie ungerecht es manchmal sein kann, so gut die Theorie auch klingt. So kann man ein komplexeres Verständnis von Recht und eine kritische Distanz zum eigenen Fach entwickeln. Gerade in Hamburg, wo es mal die einstufige Juristenausbildung gab, ist ein gewisser Praxisbezug auch Tradition.“

Einer Ihrer Forschungsschwerpunkte sind die Legal Gender Studies. Warum ist das wichtig?

„Recht trifft eine Regelung, die auf die Wirklichkeit trifft. Diese Wirklichkeit stellt sich für Menschen unterschiedlich dar. Eine Dimension ist dabei das Geschlecht. Wenn wir da einen blinden Fleck haben, einen Teil der Bevölkerung vergessen, werden wir weniger gute Regelungen treffen. Und als Verfassungsrechtlerin geht es mir natürlich auch um Gerechtigkeit. Zwar wurden die meisten direkten Diskriminierungen gegenüber Frauen inzwischen abgeschafft, aber Ungleichbehandlung besteht weiterhin, sie hat sich nur in die Strukturen zurückgezogen. Diese Strukturen müssen wir destabilisieren.“

Wie steht es mit Ungleichbehandlung an der UHH, und was hat sich hier in den letzten 100 Jahren getan?

„Hier an der Uni hat sich die erste Juristin habilitiert, Magdalene Schoch, übrigens eine Völkerrechtlerin. Darauf können wir stolz sein. Und nachdem im Nationalsozialismus sogar ein Berufsverbot für Juristinnen bestand, ist man heute als Studentin nicht mehr die Einzige, die Komische, unter lauter Männern im Anzug, im Gegenteil. Trotzdem gibt es im Studium immer noch Übungsfälle, in denen Frauen entweder mit rosa Koffersets übers Ohr gehauen werden oder die Ehefrauen und Sekretärinnen sind. Da finde ich mich als Frau nicht wieder. Wir müssen Vorbilder in der Lehre sein, die reale Vielfalt abbilden, auch aber nicht nur sprachlich. Schließlich kann die Praxis auch mal vom Standardfall abweichen, und dann sollten unsere Studierenden vorbereitet sein. Außerdem haben wir noch immer zu wenig Jura-Professorinnen. Deshalb ist mir die Nachwuchsförderung gerade von guten Frauen wichtig. Zum Glück hat meine Fakultät auch ein sehr gutes Gleichstellungsreferat.“

Was wünschen Sie sich abschließend für die Zukunft der Uni Hamburg?

„Beim Thema Gleichstellung? Da brauchen wir uns nichts vorzumachen, da ist immer noch viel zu tun. Zum Beispiel gibt es immer noch strukturelle Hürden, gerade was familiäre Vereinbarkeit angeht. Aber wir müssen Diversität viel breiter denken. Viele Studierende erfahren Fremdheitseffekte, und seien sie „nur“ von kleinen gesellschaftlichen Codes verursacht, zum Beispiel zu wissen wie man sich in bestimmten Kreisen bewegt. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass wir alle aktiv darauf hin arbeiten, alle Talente da draußen zu erreichen. Natürlich braucht es dafür auch entsprechende Ressourcen.“

Vielen Dank für das Interview.

 

Für die Zukunft wünsche ich der Uni Hamburg, dass sie weiterhin Professor*innen finden wird, die unsere Welt mit ihrem Engagement ein kleines bisschen besser machen wollen. Eva Martin

 

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