Sie ist immer gegenwärtig und wird gerade zum 100-jährigen Jubiläum wieder Thema: Die Vergangenheitsbewältigung. Dr. Sarah Bachmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für deutsche Rechtsgeschichte, berichtet von Aufarbeitung und Bewertungsproblemen. Das Interview führte Marlene Krusemark.
Frau Bachmann, woran arbeiten Sie gerade?
„Momentan forsche ich zur Geschichte der Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg. Die Ergebnisse meiner Arbeit sollen in der Universitätsfestschrift zum 100-Jahr-Jubiläum publiziert werden.“
Sie forschen unter anderem über die Fakultät zur Zeit des Nationalsozialismus. Welche Hindernisse begegnen Ihnen dabei?
„Zunächst einmal sind das keine spezifischen Probleme, die nur die Geschichte der Rechtswissenschaft im Dritten Reich betreffen. Die Quellenlage ist insgesamt schwierig. Offenbar hat man viel zu lange keine systematische Ablieferpolitik betrieben. Viele Informationen lassen sich deshalb nur über Umwege gewinnen, manche auch gar nicht.“
Inwiefern wurde bisher aufgearbeitet, dass auch viele Professoren der Jura-Fakultät damals die Universität aus antisemitischen Gründen verlassen mussten?
„Etwa die Hälfte der Juraprofessoren wurde aus rassistischen Gründen von der Universität vertrieben. Dies wurde bislang nur am Rande thematisiert, was daran liegen mag, dass es für Vergangenheitsbewältigung objektive Personen braucht, die es in den Reihen der Fakultät lange Zeit kaum gab. Viele derjenigen, die selbst verstrickt waren, saßen nach dem Krieg wieder in wichtigen Positionen in der Universität, wie zum Beispiel Hans Peter Ipsen oder Rudolf Sieverts. Diese Leute hatten natürlich kein Interesse an einer Aufarbeitung. Auch ihre Schüler waren befangen, sie hatten ihre Lehrer völlig anders kennengelernt und waren deswegen häufig bemüht, Schaden von ihnen abzuwenden. Ich glaube, vieles geht wohl auch auf einen ausgeprägten Korpsgeist zurück. Innerhalb der Fakultät hielt man zusammen und wehrte, so gut es eben ging, vermeintliche Angriffe von außen ab.“
Wie lassen sich die Lebensläufe derjenigen, die im Dritten Reich Karriere machten, heute bewerten?
„Zunächst einmal muss man mit Anschuldigungen vorsichtig sein. Nicht jeder, der sich den Nationalsozialisten andiente, war ein Nazi. Andererseits ist auch klar, dass man es mit der Entlastung nicht zu weit treiben darf. Man muss Verantwortlichkeiten klar benennen und die Motive der Protagonisten, soweit das möglich ist, offenlegen. Wenn ich das zugrunde lege, dann sehe ich in der Hamburger Rechtswissenschaft dieser Zeit kaum überzeugte Nationalsozialisten. Das sind überwiegend Opportunisten – knallharte Karrieremenschen, die ein gutes Gespür dafür hatten, welche Themen gerade angesagt waren, und das für sich ausnutzten.“
Wie hätte eine erfolgreichere Beschäftigung mit dieser Vergangenheit aussehen können?
„Privat und unter Kollegen wurde zwar bedauert, welches Leid durch den Nationalsozialismus entstanden war und was den verfolgten Kollegen widerfahren ist. Es wäre aber einfach wichtig gewesen, dass sich die Fakultät auch öffentlich zu begangenem Unrecht bekennt. Stattdessen herrschte eine Art ,Wir waren ja alle Opfer‘-Mentalität und man berief sich darauf, dass man hätte mitspielen müssen, um nicht alles zu verlieren. Das stimmt so aber einfach nicht. Wir haben genügend Beispiele, dass es nicht schädlich war, eine NSDAP-Mitgliedschaft oder die Mitarbeit in der Akademie für Deutsches Recht zu verweigern. Und selbst offener Widerspruch zu Berliner Anweisungen mündete nicht zwangsläufig in persönlichen Konsequenzen. Außerdem war es immer auch möglich, unterm Radar zu fliegen.“
Wie beschäftigt sich die Fakultät heute mit Aufarbeitung?
„In der Festschrift, die die Fakultät zum 100-jährigen Jubiläum herausgibt, erscheint mit einem Aufsatz von Jörg Berkemann erstmals ein ausführlicher Bericht zu den jüdischen Juraprofessoren der Fakultät im Dritten Reich. Außerdem fördert der Dekan und Rechtshistoriker Tilman Repgen die systematische Aufarbeitung der Fakultätsgeschichte.“

Literaturhinweis
Der Beitrag von Sarah Bachmann „100 Jahre Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg“ erscheint in: Nicolaysen/Krause/Zimmermann (Hrsg.), 100 Jahre Universität Hamburg. Studien zur Hamburger Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte in vier Bänden, Bd. 3, Göttingen 2020.
Der Aufsatz zu den jüdischen Professoren von Jörg Berkemann, Honorarprofessor für Öffentliches Recht und Staatsrecht, erscheint 2019 in der Festschrift der Fakultät: Jörg Berkemann, Jüdische Rechtsprofessoren in Hamburg 1933, in: Jeßberger/Kotzur/Repgen (Hrsg.), 100 Jahre Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg, Tübingen 2019.
2 Antworten zu “Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit an der juristischen Fakultät”
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